Curating Discomfort
Eine Intervention in post/koloniale Machtverhältnisse in Museen
Während einer großen Exkursion im Geographiestudium im Juni 2022 besuchten Sybille Bauriedl und Inken Carstensen-Egwuom das Hunterian Museum in Glasgow. Dieses Museum ist Teil der Universität Glasgow und dort ist seit knapp zwei Jahren eine ‚Kuratorin des Unbehagens‘ tätig. Zandra Yeaman gestaltet diese Rolle mit ihren langjährigen Erfahrungen als antirassistische Aktivistin und mit dem Ziel, auch auf andere schottische Museen zu wirken. Kurz vor unserem Besuch, im April 2022, wurde die Intervention ‚Curating Discomfort‘ – auf Deutsch: ‚Das Unbehagen kuratieren‘ – eröffnet. ‚Curating Discomfort‘ ist ein Projekt, das sich kritisch mit der Institution Museum auseinandersetzen will. Durch diese Intervention soll das Museum ein ethischerer Ort werden.
Museen sind Orte, an denen Erzählungen über die Identität von Nationen und Städten geschaffen und verbreitet werden – oft sind diese Erzählungen geprägt von der Vorstellung kultureller Überlegenheit der weißen Bevölkerung und privilegieren damit weiße Gruppen. Museen sind in kolonialen Kontexten entstanden und stellen nicht selten Objekte aus, die von Menschen, welche von kolonialen Ausbeutungsverhältnissen profitiert haben, an das Museum „geschenkt“ wurden – häufig, ohne viel Hintergrundwissen oder Nachfrage. Indem in Museen weiße und westliche Ideen die ausgestellten Objekte, deren Beschreibungen und Kontextualisierung bestimmen, wird weiße Vorherrschaft aufrechterhalten und das Fortbestehen von kolonialen Praktiken wie der des Ausstellens und des Sammelns von Objekten zementiert.
Diese kolonialen Bezüge von Museen wurden lange ignoriert und viele Museen beginnen gerade, ihre eigene Rolle im Rahmen von Kolonialismus und Rassismus zu reflektieren. ‚Curating Discomfort‘ ist ein Versuch, eine provokative Intervention zu gestalten. Sie soll Unbehagen offenlegen, Unbehagen auslösen und weitere Gespräche ermöglichen. So markiert die Ausstellung den Beginn einer Auseinandersetzung mit post/kolonialen Machtverhältnissen im Hunterian Museum.
Ein zentraler Ansatzpunkt ist es dabei, Menschen aus vielfältigen Kontexten und Arbeitsbereichen, die in der Geschichtsschreibung und in Museen oft marginalisiert werden, möglichst gleichberechtigt in die Intervention miteinzubeziehen. In Glasgow hat ein Team von sechs ‚Community Curators‘ mit verschiedenen geographischen und beruflichen Hintergründen über ein halbes Jahr die heute aufgestellte Intervention geplant. Diese Intervention enthält eine „Declaration of Discomfort“ sowie die Geschichten von ausgewählten Objekten im Hunterian Museum aus verschiedenen Perspektiven. Mehr über den Entstehungsprozess der Intervention ist auch auf der Website des Hunterian Museums nachzulesen. Außerdem ist auf der Website ein Podcast veröffentlicht, in welchem die Community Curators ihre Perspektiven auf einige Objekte in Gesprächen präsentieren und verschiedene Dimensionen des Unbehagens im Hunterian Museum offenlegen.
Dieses Projekt inspiriert uns im Netzwerk Flensburg Postkolonial: Auch in Flensburg spüren viele Menschen ein Unbehagen, wenn Flensburgs Verflechtungen mit Kolonialismus und Versklavung thematisiert werden – und auch, wenn sie beschönigt, romantisiert und als Heldengeschichte erzählt werden werden. Das Projekt ‚Curating Discomfort‘ in Glasgow ermutigt, solches Unbehagen konstruktiv zu nutzen. Es ermutigt, über verschiedene Arten des Unbehagens ins Gespräch zu kommen und eine kritische Auseinandersetzung mit Museen, öffentlichen Plätzen, Theatern, Schulen und anderen Institutionen zu suchen, um gemeinsam für eine inklusivere, gerechtere Gesellschaft zu arbeiten.