The world reimagined
Eine künstlerische Intervention in den öffentlichen Raum in Großbritannien
Vom 13. August bis 31. Oktober 2022 wurden in sieben Städten in Großbritannien insgesamt 103 künstlerisch gestaltete Globusse öffentlich ausgestellt. Die Globusse, die von verschiedenen Künstler:innen aus dem Vereinigten Königreich gestaltet wurden, thematisieren die kolonialen Verflechtungen Großbritanniens und beschäftigen sich mit 10 verschiedenen Themen von „Mother Africa“ über „Echoes in the present“ bis hin zu „Reimagine the future“. Die Kunstwerke sollen unter anderem aufzeigen, wie der transatlantische Versklavungshandel die Gegenwart immer noch prägt und dazu einladen gemeinsam zu reflektieren, wie antirassistische Gerechtigkeit in der Zukunft verwirklicht werden kann. Auch Flensburg hat mindestens über den Import und die Weiterverarbeitung von Rum aus Jamaika nach dem Ende der Zugehörigkeit zu Dänemark im Jahr 1864 direkte Verbindungen zum britischen Kolonialismus. So ist der Blick auf und die Auseinandersetzung mit britischen Projekten zu antirassistischer Gerechtigkeit und zur Aufarbeitung von Kolonialismus und Versklavung in mehrfacher Hinsicht sinnvoll: Einerseits als Vergleich und Anregung für Aktivitäten in Flensburg, Dänemark und Deutschland, aber auch mit Bezug auf die verflochtenen Geschichten europäischer Kolonialismen.
Aufgestellt wurden die Globusse von der Initiative „The World Reimagined“, einem gemeinnützigen Kunstbildungsprojekt, welches sich mit den kolonialen Verflechtungen Großbritanniens auseinandersetzt. Ziel des Projekts ist es, das Verständnis vom transatlantischen Handel mit versklavten Schwarzen Menschen in der britischen Öffentlichkeit zu verändern.
Begleitet werden die Ausstellungen im öffentlichen Raum von einer digitalen Plattform, die sich neun der 10 Themen genauer widmet. Über eine digitale Sammlung können Nutzer:innen anhand einer Vielzahl von Ausstellungsstücken mehr über die vorkoloniale Geschichte Afrikas, über Versklavung, das koloniale Erbe Großbritanniens, über Schwarze Widerstandskämpfe in der Vergangenheit und Gegenwart, über heutige Ungerechtigkeiten mit Ursprüngen im transatlantischen Versklavungshandel und über transnationale Schwarze Kultur erfahren. Diese mithilfe des Heritage Funds gestaltete digitale Ausstellung soll, so die Initiative, es „ermöglichen die gemeinsame Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft neu zu denken“.
Foto: Globus in der Innenstadt von Leeds, Tim Green
„The World Reimagined“ als erinnerungspolitische Intervention in den öffentlichen Raum ist ein Beispiel für das transformative Potential von Erinnerungspolitik. Um Zukunft neu zu denken, müssen dominante Erzählungen von Vergangenheit und Gegenwart in Frage gestellt werden. Indem die Geschichten des transatlantischen Versklavungshandels erinnert werden, ermöglichen die Kunstwerke zusammen mit der digitalen Informationsplattform eine andere Perspektive auf die Gegenwart und damit einen neuen Ausgangspunkt, von dem aus Zukunft gestaltet werden kann. Der partizipative Ansatz mit vielen begleitenden Veranstaltungen ermöglicht dabei einen intensiven Austausch, während die Internetseite mit der digitalen Plattform eine bleibende Ressource bietet. „The World Reimagined“ zeigt hierbei, dass es für öffentliches Erinnern nicht notwendigerweise dauerhafte Denkmale braucht, sondern auch zeitlich begrenzte Interventionen möglich sind.