Christiansenpark - Ein Garten der Kolonialzeit

Im Herbst 2018 hat das Flensburger Stadtparlament die Sanierung der Grünanlagen auf dem westlichen Geesthang unter dem Projektnamen „Christiansens Gärten“ beschlossen. Diese wurde im Sommer 2023 abgeschlossen. Das Areal wird in der Projektkonzeption als einzigartiges kulturhistorisches Ensemble benannt. Neben der barrierearmen Verbindung der drei Grünanlagen und der Aufwertung als Freizeitfläche, sollte auch eine „Aufwertung der historischen Grünanlagen von Museumsberg, Alter Friedhof und Christiansenpark“ realisiert werden (siehe Website der Stadt).

Diese Grünanlage oberhalb der Altstadt ist ein vielbesuchter öffentlicher Raum, dessen Entstehung direkte Bezüge zum dänischen Kolonialismus hat. Dessen Sichtbarkeit stand nicht im Fokus, als entschieden wurde, den Park nach den Idealen der Gartenbaukunst mit kommunalen, Landes- und EU-Mitteln zu sanieren. Auch sollte mit dem Projektnamen „Christiansens Gärten“ eine Flensburger Kaufmannsfamilie symbolisch geehrt werden, obwohl ihr der Garten schon lange nicht mehr gehört.

Nun erinnert eine Informationstafel daran, dass die Gestalter und früheren Besitzer des Gartens um 1800 zu den reichsten Familien der Stadt gehörten, die ihren Wohlstand auch durch die Ausbeutung von versklavten Menschen auf karibischen Zuckerrohrplantagen erlangt haben.
Während der Schlussphase der Sanierung wurde das Netzwerk Flensburg Postkolonial eingeladen, die Gestaltung der Informationstafel „Ein Garten der Kolonialzeit“ zu unterstützen. Die Tafel wurde am Parkeingang platziert. So kann dieser Erholungs- und Erlebnisraum auch zum postkolonialen Erinnerungsort werden. Die Informationstafel ist ein Beitrag zur Diskussion über die stadtpolitische und stadtgesellschaftliche Verantwortung im Umgang mit öffentlichen Räumen, die in der Kolonialzeit entstanden sind. Die folgende ausführlichere Darstellung der kolonialen Dimensionen des Parks soll die Informationstafel im Park ergänzen und lädt alle Leser*innen ein, sich mit dem Ort und seiner vielfältigen Bedeutung zu beschäftigen.

Lesezeit: 20min

Bild der Informationstafel, die im Rahmen der Sanierung des Christiansenpark dort im Juli 2023 aufgestellt wurde. Der kurze Text auf der Tafel erinnert nun daran, dass die Gärten im Kontext des rassistischen Systems der Versklavung und Plantagenwirtschaft entstanden sind. Auf dieser Website können die Leser*innen sich weiter über die koloniale Geschichte des Gartens informieren. Foto: privat.

Die Gärten der Kaufmannsfamilie Christiansen

Die Flensburger Landschaftsgärten, die sich heute über den alten Friedhof, den Christiansenpark und Teile des Museumsbergs erstrecken, werden von vielen Flensburger*innen als grünes Freizeit- und Naherholungsgebiet mitten in der Innenstadt genutzt. Die Gärten dienten auch schon vor 200 Jahren zum Flanieren für die bürgerliche Gesellschaft. Die Frage nach der Entstehung dieser Gärten führt zunächst ans Ende des 18. Jahrhunderts und zum Kaufmann Stuhr sowie zur Kaufmannsfamilie Christiansen zurück. Nach dieser ist der Park bis heute benannt, auch wenn er schon lange nicht mehr in deren Besitz ist. Andreas Christiansen sen. errichtete 1799 auf dem heutigen Museumsberg die Boreasmühle und gestaltete das umliegende Gelände als Mühlengarten, der anfangs noch landwirtschaftlich genutzt wurde (Messerschmidt 1996). Später, in der Zeit von 1810 bis Mitte der 1820er, wurde das Areal mehrmals von dessen Sohn, Andreas Christiansen Junior, als Landschaftsgarten umgestaltet und erweitert. In diesem Zuge entstand der Parkfriedhof mit Kapelle (1810-1813, heute „Alter Friedhof“) und es wurde das Geesthanggelände am Museumsberg und der Südergraben miteinbezogen (1811-1816). Damit reichte der Park bis zur historische Siedlungsgrenze am Holm. Erweitert wurde die Anlage schließlich mit dem Kauf des Landschaftsgartens von Peter Clausen Stuhr im Jahr 1820, der schon 1797 oberhalb des Alten Friedhofs angelegt wurde (siehe Abbildung 1).

Auf den ersten Blick scheint diese Antwort auf die Frage nach der Entstehung der Gärten bereits vollständig – wohlhabende Kaufmänner aus Flensburg ließen um 1800 eine Parkanlage anlegen. Diese dient der eigenen Erholung, kann aber auch von allen Flensburger*innen genutzt werden und sorgt somit für Ansehen und Dankbarkeit gegenüber der Kaufmannsfamilie. Der Landschaftsgarten ist ein typisches Beispiel für den Repräsentationsdrang des aufstrebenden europäischen Bürgertums um 1800. Das Umherwandeln in einem Garten war nicht mehr nur eine Beschäftigung des Adels, sondern auch reich gewordene Kaufleute strebten nach diesem Lebensstil und wollten ihren neu gewonnenen Wohlstand in aufwändigen Gartenanlagen und Villenbauten zeigen und genießen.
Doch diese Antwort gibt keine Auskunft über den Ursprung des Reichtums und der stadtpolitischen Bedeutung der Kaufmannsfamilie, die die Anlage der Gärten an der Siedlungsgrenze der damals dicht besiedelten Stadt ermöglichte. Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie hat in ihrem berühmten TED-Talk auf die Gefahr einer einseitigen Geschichte aufmerksam gemacht („The danger of a single story“, Adichie 2009). Die bis hierher erzählte Geschichte ist eine solche einseitige Geschichte. An dieser Stelle sollen daher auch die anderen Geschichten der Entstehung dieser Landschaftsgärten erzählt werden.

Abbildung 1. Ausschnitt aus dem Stadtplan (1849) von O. Wergeland (Stadtarchiv Flensburg). Der Plan zeigt die Gärten nach dem Aufkauf der Stuhrschen Landschaftsgärten (oberhalb des Kirchhofs zu sehen). Der von Christiansen sen. angelegte und von Christiansen jun. erweiterte Garten rund um die Boreasmühle ist unterhalb des Kirchhofs zu sehen. Der Zugang war hier durch den Garten des Christiansen-Palais am Holm möglich. Der Sarkophag-förmige Kirchhof, heute der alte Friedhof, verbindet die beiden Landschaftsgärten.

Der transatlantische Versklavungshandel zwischen Westafrika und den dänischen Kolonien

Die Spur des Reichtums zur Finanzierung der ursprünglichen Gartenanlage führt an die Westküste Afrikas und in die Karibik Mitte des 17. Jahrhunderts. Sie zeigt Flensburgs globale Verflechtungen während des dänischen Kolonialismus. Der Rohrzuckerhandel war zu dieser Zeit ein überaus ertragreiches Geschäft für europäische Kaufleute. Dieser war verbunden mit der Verschleppung und Versklavung von tausenden von Menschen von den afrikanischen Küsten und deren brutaler Ausbeutung auf den Zuckerrohrplantagen. Im 17. Jahrhundert begannen königlich-dänische Kompagnien (wie z.B. die Guinea Trading Company oder die Danish West India Company) Festungen an der Westküste Afrikas zu bauen, um von dort Menschen nach Südamerika, in die Karibik und nach Nordamerika zu verschleppen und an dortige Kompagnien und Plantagen zu verkaufen. Damit begann die Teilnahme des Dänischen Königreichs an der europäischen Verschleppung und Versklavung von afrikanischen Menschen. Zwischen dem späten 17. Jahrhundert und dem frühen 18. Jahrhundert übernahm das Dänische Königreich die drei karibischen Inseln, die heute als St. Thomas, St. Croix und St. John (Amerikanische Jungferninseln) bekannt sind, von anderen europäischen Kolonialmächten.

Ab 1755 erlaubte das dänische Königshaus auch den Flensburger Kaufleuten den Handel mit den Zuckerrohrplantagen in den dänischen Kolonien. Für 109 Jahre hatten Flensburger Kaufleute und Reeder direkten Zugang zu den drei Inseln. Diese wurden „Dänisch Westindien“ genannt, daher auch die Bezeichnung „Westindienfahrt“. Kurz nachdem dieses Privileg für die Flensburger See- und Kaufleute in Kraft trat, begann Andreas Christiansen sen. (1743-1811) eine Lehre zum Handelskaufmann (Messerschmidt 1996) und unternahm 1766 als Mitarbeiter des Flensburger Kaufmanns Feddersen seine erste Reise nach St. Croix (Albrecht 1995). Zu diesem Zeitpunkt waren bereits knapp 35.000 Afrikaner*innen auf die drei karibischen Inseln verschleppt worden und über 9.000 bei den Überfahrten gestorben (Emory Centre for Digital Scholarship 2010). Die meisten dieser Menschen wurden in den dänischen Festungen an der Küste Ghanas gefangen gehalten. Die bekannteste und älteste dieser Festungen ist das Fort Christiansborg, auch bekannt als Osu Castle, in der heutigen Hauptstadt Accra (Degn 1974: 120f). Dort wurden die Gefangenen auf speziell für den Menschentransport ausgerüstete Schiffe gezwungen, auf denen sie anschließend über den Atlantik in die Amerikas und in die Karibik verschleppt wurden. Allein auf St. Croix lebten 1766 bei der Ankunft von Christiansens sen. schätzungsweise 15.000 versklavte Schwarze Menschen (Flensburger Schifffahrtsmuseum 2009), die dort zu harter und gefährlicher Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen mit Gewalt gezwungen wurden und meist nur zehn Jahre überlebten.

Zuckerrohrplantagen bedeckten die gesamten Inseln (siehe Abbildung 2). Auf den weitläufigen Feldern wuchsen die schilfartigen Gewächse in Reihen bis zu fünf Meter hoch (Degn 1974: 60). Da das Zuckerrohr nach der Ernte schnell weiterverarbeitet werden musste, befand sich auch die Infrastruktur für die Weiterverarbeitung auf den Plantagen: Wind- oder Pferdemühlen, um den Saft aus dem abgeschlagenen Rohr zu pressen, eine Siederei, um den Saft zu kochen und zum Kristallisieren zu bringen, eine Trockenkammer, in welcher der kristallisierte Zucker trocknen konnte, ein Lagerhaus, wo der Zucker bis zur Verschiffung nach Europa lagerte und schließlich eine Brennerei, in der die Zuckermelasse zu Rohrum verarbeitet wurde (ebd; Mintz [1986] 2007, siehe auch Abbildung 3).
Der Begriff der Plantage beschreibt dabei nicht nur den räumlich abgegrenzten Bereich, auf welchem Rohrzucker in Monokulturen angebaut und verarbeitet wurde, sondern auch eine rassifizierte, mit Gewalt durchgesetzte Landenteignung und globale Arbeitsteilung, die Schwarze Menschen entmenschlichte und zur Ware sowie billigem Produktionsfaktor degradierte (Ferdinand 2021: 46). Die körperlich anstrengende und zeitlich eng getaktete Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern und in der Siederei wurde überwiegend von versklavten Schwarzen Menschen geleistet, genauso wie der Bau der Hafen- und Siedlungsinfrastruktur auf den Inseln.

Der transatlantische Versklavungshandel zwischen Westafrika und den dänischen Kolonien
Flensburgs koloniale Verflechtungen

Ab 1755 erlaubte das dänische Königshaus auch den Flensburger Kaufleuten den Handel mit den Zuckerrohrplantagen in den dänischen Kolonien. Für 109 Jahre hatte Flensburger Kaufleute und Reeder Zugang zu den drei Inseln. Diese wurden „Dänisch Westindien“ genannt, daher auch die Bezeichnung „Westindienfahrt“.

Begriffserklärung "Schwarz"

„Schwarz“ wird hier als politische Selbstbezeichnung großgeschrieben und kennzeichnet damit eine wirkmächtige soziale Realität und nicht etwa eine Einordnung des äußeren Erscheinungsbildes. Demgegenüber wird „weiß” als eine Beschreibung sozialer Positionierung klein geschrieben (Sow 2018).

Unsichtbares hörbar machen

Wie wurde der Zucker auf den karibischen Inseln hergestellt? In Flensburg ist nur der Reichtum, welcher durch den Handel mit Zucker entstand sichtbar, nicht aber die Verhältnisse auf den Plantagen. In Kapitel 10 des Hörspaziergangs “Unsichtbares hörbar machen” macht die Theaterwerkstatt Pilkentafel die Zuckerherstellung für ihre Hörer*innen hörbar. Der Hörspaziergang kann kostenlos auf der Seite der Pilkentafel heruntergeladen werden. Wer den ganzen Rund gehen möchte: Start ist bei der St. Jürgen Treppe, Ende nach ca. 100 min ganz in der Nähe des Christiansenpark.

Abbildung 2. Ausschnitt der Karte von St. Croix (1754, Signaturen von 1766) mit Plantageneinteilung und unterschiedlichen Signaturen für Pferde- und Windmühlen. Im Hafen von Christianstæd (Ausschnitt oben rechts) legten Flensburger Schiffe an. (Kgl. Bibliotek København, Id 523067, eigene Veränderung).
1755 wurde der Handel mit St. Croix auch für die Flensburger Kaufleute geöffnet. Die ehemaligen Mahagoniwälder waren zu diesem Zeitpunkt bereits weitestgehend gerodet und Plantagen, auf denen Zuckerrohr in Monokultur angebaut wurde, prägten die Landschaft der Insel. Die Plantagen wurden von europäischen Unternehmern oder Kompagnien (z.B. der Danish West India Company) betrieben. Die harte und gefährliche Arbeit auf den Plantagen wurde überwiegend von versklavten Schwarzen Menschen geleistet. Zum Zeitpunkt der Kartierung wurden knapp 9.000 versklavte Schwarze Menschen auf St. Croix zur Arbeit gezwungen (Flensburger Schifffahrtsmuseum 2009).

Flensburger Kaufleute und Versklavung

Die Lebensverhältnisse der versklavten Menschen waren für Christiansen sen. wie auch alle anderen Flensburger See- und Kaufleute, die am Kolonialhandel beteiligt waren, nicht zu übersehen. Sie waren Profiteure dieses Ausbeutungssystems und haben es mitgestaltet.

Die Kaufmannsfamilie Christiansen und die karibischen Zuckerrohrplantagen

Die Lebensverhältnisse der versklavten Menschen waren für Christiansen sen. wie auch alle anderen Flensburger See- und Kaufleute, die am Kolonialhandel beteiligt waren, nicht zu übersehen. Sie waren Profiteure dieses Ausbeutungssystems und haben es mitgestaltet. Mit den Plantagenbesitzern auf St. Croix verhandelte Christiansen sen. in den 1770er Jahren im Interesse seines Unternehmens und sorgte als Bevollmächtigter der Flensburger Kaufleute für den Ausbau der Beziehungen und eine Intensivierung des Handels mit den dänischen Kolonien (Albrecht 1995). Insgesamt unternahm Christiansen sen. im Zeitraum von 1766 bis 1775 sechs Handelsreisen nach St. Croix und blieb bis zu anderthalb Jahre auf der Insel (Flensburger Schifffahrtsmuseum 2009). Gleichzeitig gibt es aus dieser Zeit kaum zugängliche Dokumente, die Aufschluss darüber geben, wie Christiansen sen. die Verhältnisse vor Ort erlebte (Schmalen 2023). In den späten 1770er Jahren betrieb Christiansen sen. auch Handel mit den dänischen Kolonien mit eigenen Schiffen (Albrecht 1995).

In diesem Zeitraum nahm der Handel mit den dänischen Kolonien immer mehr zu: von 1773 bis 1783 gab es von Flensburg aus 43 Unternehmungen mit 17 Schiffen und auf St. Thomas wurde eine erste Flensburger Handelsniederlassung gegründet (Flensburger Schifffahrtsmuseum 2009). Auch Christiansen sen. konnte bis Ende des 18. Jahrhunderts seine Zuckerproduktion verdreifachen. Um die steigende Menge an gehandeltem Zucker realisieren zu können, erhöhte sich auch die Zahl der auf den Plantagen zur Arbeit gezwungenen Schwarzen Menschen. Zwischen 1755, dem Beginn des Flensburger Überseehandels, und 1773 hatte sich die Anzahl der versklavten Menschen auf St. Croix fast verdreifacht (Flensburger Schifffahrtsmuseum 2009). Bis 1807 kamen Schiffe unter dänischer und britischer Flagge mit verschleppten Menschen aus Westafrika auf den drei von Dänemark kolonisierten Inseln an. Viele wurden von dort auch weiterverkauft in andere europäische Kolonien in den Amerikas.
Christiansen sen. besaß Zuckerraffinerien in den dänischen Kolonien, Handelshöfe und Schiffswerften in Flensburg, betrieb Ölmühlen und war Eigner zahlreicher Schiffe, die im Handel mit Kolonialwaren unterwegs waren. Das Hauptgeschäft der Familie Christiansen war „die kostenintensive Reederei und [der] risikoreiche Überseehandel“ (Albrecht 1995: 122). Dabei waren die Christiansens bis 1807 äußerst erfolgreich. Sie besaßen mit dem Handelsschiff „St. Croix“ bis 1807 das größte Schiff der Flensburger Handelsflotte. Entsprechend zentral für die kaufmännischen Tätigkeiten der Christiansens und damit auch für deren Reichtum war die Arbeit, die von Schwarzen versklavten Menschen auf den Zuckerrohrplantagen in der Karibik geleistet wurde.

In Folge der Napoleonischen Kriege waren für die Flensburger Schiffe Handelsmöglichkeiten stark eingeschränkt. 1807, nachdem Dänemark seine Neutralität aufgab und an der Seite Frankreichs gegen England kämpfte, endete diese erste Profitphase im Kolonialhandel für die Flensburger Kaufleute. Aufgrund der Kontinentalsperre, einer Wirtschaftsblockade, die von Napoleon über das Vereinigte Königreich und dessen Kolonien verhängt wurde, konnten keine Schiffe auslaufen und die Gefahr überfallen zu werden war hoch. Ab 1814 stieg die Anzahl der von Flensburg aus in die Karibik segelnden Schiffe jedoch schnell wieder an (Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte 1966: 244) und Andreas Christiansen Junior (1780-1831) wurde bald erneut zu einem der Hauptakteure im Flensburger Westindienhandel. So wurden im Jahr 1823 sechs von dreizehn Schiffen, die Zucker von den karibischen Plantagen nach Flensburg bringen sollten, von Christiansen jun. ausgerüstet (ebd.: 245). Der globalisierte Handel mit Zucker und anderen Kolonialwaren blieb jedoch trotz der finanziellen Absicherung über Handelsgesellschaften ein riskantes Geschäft. Kaufmann Stuhr zum Beispiel ging mit den Seeblockaden durch die Engländer in Konkurs (ebd.: 242f.). So hatte Christiansen jun., der den Kolonialwarenhandel durch geschickte Lagerhaltung und vielfältige Unternehmen erfolgreich weiterführte, im Jahr 1820 die Möglichkeit, die Stuhrschen Gärten zu erwerben, umzugestalten und damit seine Parkfläche zu erweitern.

Widerstand der Plantagenarbeiter:innen

Die europäischen Kolonien in den Amerikas, die dort betriebenen Zuckerplantagen und die Versklavungsschiffe zwischen Afrika und den Kolonien sind immer auch Orte gewesen, an denen versklavte Menschen Widerstand gegen Gewalt und Entmenschlichung geleistet haben. Dieser Widerstand gegen Gewaltherrschaft und Ausbeutung hatte vielfältige Formen: sei es die Flucht und ein selbstbestimmtes Leben abseits der europäisch kontrollierten Gebiete (z.B. Maroon-Gemeinschaften in allen amerikanischen und karibischen Kolonien), die Vertreibung der Kolonisatoren (z.B. Haitianische Revolution 1791), die oft gewaltvoll in guerillaartigen Kämpfen gegen die Kolonisatoren stattfand, die Zerstörung der Plantagen, die Selbsttötung auf den Versklavungsschiffen bei der Überquerung des Atlantiks oder kulturelle Praktiken des Widerstands und der Solidarität in Geschichten, Liedern und Tänzen (z.B. Capoeira-Tanz) (Beushausen/Brandel/Farquharson/Littschwager/McPherson/Roth 2018).

Diese Formen des Widerstands gab es auch während der Kolonialzeit der der dänischen karibischen Inseln. 1733 konnten versklavte Schwarze Menschen durch eine Revolte auf St. John für mehrere Monate die Kontrolle über die Insel erlangen (Sebro 2013). Die Künstlerin La Vaughn Belle, die auf den Jungferninseln arbeitet und in ihrer Arbeit koloniale Hierarchien und das Unsichtbarmachen rassistischer Verhältnisse hinterfragt, berichtet in ihrer Arbeit „We are the monuments that won’t fall“ von William Davis, der 1759 auf St. Croix eine Rebellion plante. Die dänischen Kolonialherren erfuhren von den Plänen und folterten Davis öffentlich zur Abschreckung. William Davis war nicht der Einzige, der Widerstand leistete. La Vaughn Belle betont, dass viele brutale Strafen angedroht und umgesetzt wurden, nur weil Versklavte „es wagten sich selbst als Menschen zu sehen, in einer Gesellschaft, welche sie nicht als solche betrachtete“ (Belle 2020, eigene Übersetzung). Auch die Kuratorin der Ausstellung „Rum, Schweiß und Tränen“, Dr. Imani Tafari-Ama, interpretierte die brutalen Halseisen, die Menschen um den Hals gelegt wurden, um sie zu fesseln, nicht nur als Bestrafungsinstrumente, sondern auch als Beleg, dass es zahlreiche Aufstände gab.

Der wohl bekannteste Aufstand auf St. Croix fand 1878 statt und ist unter dem Namen Fireburn-Revolte bekannt. Obwohl es zu dieser Zeit auf den dänischen karibischen Inseln keine Sklaverei mehr gab (diese wurde 1848 nach einer Rebellion der Versklavten abgeschafft, Holsoe 2009), herrschten weiterhin rassistische, entmenschlichende Arbeitsverhältnisse auf den dänischen Inseln in der Karibik (siehe Abbildung 3). Die Grundlagen für viele Freiheitsbeschränkungen waren nach der Emanzipation im Labour Act von 1849 festgehalten worden (Tyson 1995). So konnten z.B. nur einmal im Jahr (zum 1. Oktober) die Arbeitsverträge gekündigt oder erneuert werden. Sowohl Vertragslaufzeit als auch Löhne und Arbeitszeiten waren gesetzlich festgelegt und konnten nicht verhandelt werden. Am 1. Oktober 1878 protestierten Arbeiter:innen auf St. Croix gegen die Freiheitseinschränkungen und die harten Arbeitsbedingungen. Dieser Protest verwandelte sich in einen zweiwöchigen Aufstand, der von vier Arbeiterinnen – Mary Thomas, Axeline Elizabeth Solomon, Susanna A. Abrahamson und Mathilda McBean (genannt „Queen Mary“, „Queen Agnes“, „Queen Bottom Belly“ und „Queen Mathilde“) – angeführt wurde und bei dem knapp 360 Hektar Zuckerrohrfelder niedergebrannt und viele Plantagenbesitzer zur Flucht gezwungen wurden (Nielsen 2020).    

Diesem Widerstand gegen anhaltende Ausbeutung und Freiheitsbeschränkung begegneten die dänischen Kolonialisten mit grausamer Gewalt und Repression auf den Inseln und einer Gefängnisstrafe für die Anführerinnen der Fireburn-Revolte in Kopenhagen. Diese Reaktion diente der Abschreckung in den Kolonien und zur Machtbestätigung im kolonialen Zentrum. Die europäischen Plantagenbesitzer fürchteten angesichts der Aufstände sowohl um ihr Leben als auch um ihren Reichtum. Die Niederschlagung der Aufstände stellte somit auch sicher, dass Schwarze Menschen ausbeutbar blieben und damit die notwendige Arbeitskraft auf den Plantagen sichergestellt war. Auf den US Virgin-Islands ist die jährliche Erinnerung an den Fireburn-Aufstand ein wichtiges Datum für die Nachfahren der versklavten Plantagenarbeiter*innen. Die Schwarzen Künstler*innen La Vaughn Belle und Jeannette Ehlers haben den Revoltierenden 2017 in Kopenhagen am Westindienspeicher ein Denkmal gesetzt („I am Queen Mary“) und im USVI Studies Collective arbeiten feministische Wissenschaftlerinnen zusammen daran, die Geschichte(n) immer wieder neu und in Verbindung mit gegenwärtigen Kämpfen zu reflektieren.

Widerstand der Plantagenarbeiter:innen
Die Fireburn-Revolte

Der wohl bekannteste Aufstand auf St. Croix fand 1878 statt und ist unter dem Namen Fireburn-Revolte bekannt. Obwohl es zu dieser Zeit auf den dänischen karibischen Inseln keine Sklaverei mehr gab (diese wurde 1848 nach einer Rebellion der Versklavten abgeschafft, Holsoe 2009), herrschten weiterhin rassistische, entmenschlichende Arbeitsverhältnisse auf den dänischen Inseln in der Karibik.

Abbildung 3. Gemälde der Plantage Mary’s Fancy auf St. Croix (ca. 1850) von Fr. Melbye (Handels- og Søfartsmuseum på Kronborg, HS-nr.: 1949:0303).
Fritz Melbye wurde 1826 in Dänemark geboren und ging 1849 nach St. Thomas. Dort lebte er für knapp drei Jahre. Auch wenn die Sklaverei in Dänemark kurz zuvor, 1848, verboten wurde, herrschten weiterhin rassistische, entmenschlichende Arbeitsverhältnisse. Beispielsweise durfte nur einmal im Jahr (am 1. Oktober) die Arbeitsstelle, also die Plantage, gewechselt werden. Die Übersiedlung von einer dänischen (oder anderen) Insel auf die andere, wie sie für Melbye zum Anfertigen des Gemäldes problemlos möglich war, war für Schwarze Menschen sehr viel schwieriger. Die schlechten Arbeitsbedingungen, unfaire Bezahlung und extreme Freiheitseinschränkungen für Arbeitskräfte auf den Plantagen führten 1878 zum wohl bekanntesten Aufstand auf St. Croix, der Fireburn Revolte. Nach diesem Aufstand wurde der Labour Act von 1849 abgeschafft und nach einem Generalstreik im Jahr 1879 traten Regularien für frei verhandelbare Arbeitsverträge in Kraft.

Gartenbautätigkeiten im Christiansenpark

1799/1800:
Bau der Boreasmühle mit angrenzendem Mühlengarten

1810-1813:
Entstehung des alten Friedhofs

1811-1816:
Umgestaltung des Geländes, Miteinbezug des Südergrabens und des Geesthangs am heutigen Museumsberg

1820:
Aufkauf der Stuhrschen Landschaftsgärten

1820er:
Errichtung mehrerer Wirtschaftsgebäude

1850:
Gutsbesitzer Fromm erwirbt den westlichen Teil des Parks

1866:
Bürgermeister Funke erwirbt den östlichen Teil des Parks

ab 1880er:
Bebauung des östlichen Teils

1992:
Aufkauf des westlichen Teils durch die Stadt Flensburg und Zugänglichkeit für alle Flensburger*innen

2020-2023:
Umgestaltung des Gartenareals

Gartengestaltung finanziert aus den Profiten des Kolonialhandels

Auffällig ist, dass insbesondere in der Zeit der Kontinentalsperre und damit des Stillstands des Flensburger Schiffbetriebs im Kolonialhandel von 1807 bis 1814 wichtige gartenbauliche Tätigkeiten stattfanden. So war Christiansen jun., der mittlerweile das Handelsgeschäft der Familie führte, von 1810 bis 1813 Mitglied der Kommission, die mit der Anlage des Alten Friedhofs zwischen den Gärten Stuhr und Christiansen beauftragt war (Redlefsen 1964). Außerdem veranlasste er 1811 die Umgestaltung des um 1800 von seinem Vater angelegten Mühlengartens und nahm umfangreiche Erweiterungen des Gartens vor (ebd.). Es ist zu vermuten, dass einerseits der Einbruch des Überseehandels den gelagerten Zucker zu einer noch profitableren Handelsware machte und andererseits der Gewinn aus dem Kolonialwarengeschäft nicht direkt in die Reederei und Schifffahrt investiert werden konnte. So waren Finanzmittel für die repräsentative Gestaltung der Gärten verfügbar. Diese ermöglichten es auch in diesen Jahren der Wirtschaftskrise die gesellschaftliche Stellung und das neue Selbstverständnis des neureichen Bürgertums in Folge der französischen Revolution und Aufklärung zu zelebrieren.

Christiansen jun. starb 1831. Zeitgleich nahm auch die Bedeutung der Christiansens im Überseehandel und der Zuckerproduktion ab (Albrecht 1995). Zum Zeitpunkt seines Todes wurde Christiansen jun. dennoch als „Wohltäter“, der „einen Sinn für das Edlere [hat], der ihn weit über die Klasse des einseitig spekulierenden Kaufmanns“ hinaus erhebt, und dem die Flensburger*innen dankbar für seinen englischen Park sein werden, bezeichnet (zit. n. Redlefsen 1964: 42). Diese Rezeption entlarvt ein Ideal des bürgerlichen Kaufmanns, der Verantwortung trägt und die bürgerliche Kultur mitgestaltet. Vor allem durch die Gestaltung der Gärten, die ihm Anerkennung verschafften und seine kulturelle Affinität unter Beweis stellten, konnte Christiansen jun. somit diesem Ideal gerecht werden. Gleichzeitig blieb er stets durch die Teilnahme am Kolonialhandel in spekulative Geschäfte verwickelt.

Auch heute steht bei der Wahrnehmung der Kaufmänner Christiansen sen. und Christiansen jun. die Dankbarkeit für den Park und dessen Bedeutung als Grün- und Begegnungsort für Flensburg im Vordergrund. So findet sich in einem shz-Artikel über die Familie Christiansen von 2009 folgende Beschreibung: „Sie waren außerordentlich erfolgreiche Kaufleute, Reeder und Unternehmer, hatten sich aber ihren Bürgersinn bewahrt und waren zudem interessiert an Kunst und Kultur. Der prächtige Christiansenpark, an dem sich die Flensburger noch heute erfreuen können, geht auf die Initiative von Mitgliedern dieser Familie zurück.“ (Philipsen 2009). Abwesend ist in der öffentlichen Erinnerung and die Familie Christiansen damit (größtenteils bis heute) deren Verknüpfung mit dem rassistischen System der Plantagenwirtschaft.

Der Flensburger Kolonialhandel ging schließlich ab 1838 durch fehlende Absatzmöglichkeiten und einen Verfall des Zuckerpreises nach Einführung der Zuckerrübe zurück (Gøbel 2018: 136). Andreas Christiansen III., der Sohn von Christiansen jun., führte gemeinsam mit der Witwe Jeanette noch die Handelsgeschäfte der Familie Christiansen weiter (Messerschmidt 1996). Nach dem Bankrott 1850 erwarb der Gutsbesitzer Fromm den westlichen Teil des Parks, der über die folgenden sieben Generation als Grünanlage im Besitz der Familie Fromm blieb (Sturm/Schwensen/Oeding 2009: 43) und heute verkleinert als Christiansenpark erhalten ist. Den östlichen Teil des Parks erwarb 1866 Bürgermeister Funke (ebd.). Dieser wurden ab den 1880ern mit Museum, Gericht, JVA und Schulen bebaut (ebd.). Um den westlichen Teil des Parks vor Bebauungsplänen zu bewahren und für die Flensburger*innen zugänglich zu machen, erwarb die Stadt den Park 1992. Bemerkenswert ist, dass in der öffentlichen Geschichtserzählung des Parks sowohl die Kolonialgeschichte wie auch die Folgebesitzer ausgelassen werden. Auch heute wird mit dem Projektnamen die Dankbarkeit für die Existenz des Parks der Kaufmannsfamilie Christiansen zugesprochen, nicht jedoch die öffentliche Investition in die Erhaltung des Parks 1992 betont.

Englische Landschaftsgärten als Naturgestaltungsideal europäischer Kaufleute

Mit dem Aufkauf der Stuhrschen Landschaftsgärten 1820 und der anschließenden Umgestaltung der Gesamtanlage und der Gebäude wurden die Landschaftsgärten endgültig zur Sehenswürdigkeit in Flensburg (Redlefsen 1964: 28ff.). Der Christiansenpark wurde nach dem Ideal des Englischen Landschaftsgartens gestaltet, der die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies und dem Wunschbild einer humanen und liberalen Gesellschaft ausdrücken sollte. Dieses Gartenbauideal hatte – zumindest ursprünglich – einen moralisch-aufklärerischen Anspruch und war Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung, die im England des 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und sich in den nordeuropäischen Kolonialstaaten ausbreitete. Natur wird ab Mitte des 18. Jh. von englischen Moralphilosophen als sittliche Macht überhöht. Das war ein neuer ethischer und zugleich politischer Anspruch der neuen Gartenkunst. Die Natur sollte mit den Landschaftsgärten in ihrem eigenen Wesen und ihrer Schönheit erlebt werden können (Buttlar/Meyer 1996).

Der englische Landschaftsgarten wurde ursprünglich nicht für die allgemeine Bevölkerung angelegt. Natur im Landschaftsgarten war in der frühen Phase in Dichtung, Malerei und Geschichte gespiegelte Natur, deren verständige Wahrnehmung beim Betrachter ein geschultes ästhetisches Empfinden und eine umfassende, fast elitäre Bildung voraussetzte. Die Gärten boten Blickachsen auf prächtige Eichen und Buchen als Bäume nationaler Identität, aber auch eingeführte Pflanzen aus den Kolonien, besonders amerikanische Laubbäume und Nadelhölzer. Sie enthielten nachgebaute Ruinen der römischen und griechische Antike oder Relikte des ägyptischen oder phönizischen Altertums (vgl. Sarkophag aus dem heutigen Libanon im Christiansenpark) als Verweis auf die als europäische Ursprungszivilisation konstruierte Region, Elemente der Freimaurerästhetik (vgl. Spiegelgrotte im Christiansenpark) und landwirtschaftliche Gebäude eines romantisierten Bauernlebens. Alles Elemente, die auf die Gesellschaftsideale und Tugenden der liberalen Aufklärung und Naturromantik verweisen. Anders als in streng symmetrischen Barockgärten wurde in Landschaftsgärten ein welliges Gelände mit geschwungenen Wegen bevorzugt. Das sollte sowohl ein Gefühl der Weitläufigkeit der Anlage vermitteln wie auch eine liberale Gesinnung ausdrücken. Der Garten sollte zu einem Kunstwerk der Empfindungen wie Anmut, Größe, Heiterkeit, Wildheit und Melancholie werden, das beim Durchwandern individuell erlebt wird.

Die ersten Engländer, die ihre Landsitze um London im neuen Stil umgestalteten, waren oppositionelle Adlige, Dichter und Politiker mit liberaler Gesinnung. Viele von ihnen waren in den aufklärerischen Freimaurerlogen organisiert, die sich seit 1717 bildeten (1809 wurde auch in Flensburg die erste Loge gegründet, mit einer Residenz direkt unterhalb des Christiansenparks). Diese ersten Landschaftsgärten waren nur für die sehr gebildete, liberale Gesellschaftsschicht geschaffen. Erst der aufkommende „Gartentourismus“ Mitte des 18. Jahrhunderts öffnete diese Gärten für eine breitere Öffentlichkeit und der Landschaftsgarten wurde schnell Mode und die englischen Landschaftsgärtner wurden in vielen europäischen Hafenstädten des Kolonialhandels engagiert. Im ebenfalls dänischen Altona sind in der Zeit zahlreiche Landschaftsgärten für Kaufleute des Kolonialhandels entstanden und wie der Christiansenpark auf dem Geesthang mit Blick auf die einfahrenden Schiffe platziert worden (siehe Abbildung 4).

Englische Landschaftsgärten

Der Christiansenpark wurde nach dem Ideal des Englischen Landschaftsgartens gestaltet. Diese Landschaftsgärten waren zunächst für sehr gebildete, liberale Gesellschaftsschichten gedacht und sollten mit ihren Elementen auf die liberale Aufklärung und die aufkommende Naturromantik verweisen.

Abbildung 4. Gemälde von Matthias Kriegsmann (1825-1835, Museumsberg Flensburg, Inventar-Nr. 17701). Der Maler steht auf dem alten Friedhof und schaut auf Flensburg. Rechts neben der Viehweide, außerhalb des Blickfelds des Malers befindet sich die Boreasmühle samt Mühlengarten. Die Boreasmühle wurde 1799/1800 von Christiansen sen. oberhalb des Geesthanggeländes auf dem heutigen Museumsberg gebaut. Der umliegende Garten wurde vornehmlich landwirtschaftlich genutzt. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Gemäldes (1825-1835) gehörten auch die ehemals Stuhrschen Gärten schon der Familie Christiansen. Damit erstreckten sich die Landschaftsgärten auch hinter dem Rücken des Malers weiter. Die auf dem Bild durch die Gärten flanierenden oder reitenden Menschen gehören augenscheinlich zur bürgerlichen, gebildeten Bevölkerung Flensburgs. Damit gibt das Bild auch Hinweise darauf, von wem die von Christiansen angelegten Gärten vornehmlich genutzt wurden.

Landschaftsgärten als Repräsentation kolonialer Plantagenökonomie
Widersprüchliche Gärten

Das Ideal der Empfindsamkeit für die Natur als neue Tugend der Aufklärung im 18. Jahrhundert und die gleichzeitige Zerstörung und Zurichtung von Natur in den eroberten Kolonien, die Ermordung der indigenen Bevölkerung und die brutale Ausbeutung Schwarzer Menschen auf den Plantagen stehen in einem krassen Widerspruch, der nur durch ein rassistisches Welt- und Menschenbild legitimiert werden konnte. Dieses Denken wirkt bis heute fort, wenn nur einseitig an den Wohlstand und die Glanzleistungen der Kaufmannsfamilien erinnert wird, die an dieser Plantagenökonomie der Kolonialzeit beteiligt waren.

Landschaftsgärten als Repräsentation kolonialer Plantagenökonomie

Die europäischen Landschaftsgärten sind auch Repräsentationsorte der kolonialen Plantagenökonomie. Sie materialisierten die Gleichzeitigkeit der Gartenbaukunst des Bürgertums und des Versklavungshandels sowie die Gleichzeitigkeit der Aufklärung in Europa und der brutalen Herrschaft in der Karibik um 1800. Bauherren der Landschaftsgärten sind entsprechend dieser Gleichzeitigkeit in Personalunion koloniale Profiteure und Erschaffer einer Landschaftsidylle in den Zentren der globalisierten Plantagenökonomie. Der Flensburger Kolonialwarenhandel hat Landschaftsveränderungen an verschiedenen Orten verursacht, die oft weit voneinander entfernt sind: Die Entstehung von Landschaftsgärten in Flensburg, welche gemeinhin als Ausdruck eines spezifischen Mensch-Natur-Verhältnisses gelten und der bürgerlichen Repräsentation dienten, muss im Kontext von Eingriffen in Naturressourcen, der Ausbeutung von Schwarzen Menschen in der Karibik und der Entfaltung von globalen Handelsaktivitäten betrachtet werden (vgl. Walden 2000).

Um die weitläufigen Zuckerrohrfelder anzulegen, wurde zuvor großflächig Wald gerodet und somit die Landschaft von St. Croix komplett transformiert. Der Missionar Christian Oldendorp hielt sich 1777 auf den drei Inseln auf und beschrieb, dass von den ehemaligen Mahagoniwäldern kaum mehr etwas übrig war (Oldendorp 1995 [1777]). Das gerodete Mahagoniholz wurde zunächst für den Aufbau der Plantagengebäude genutzt und überschüssiges Holz anschließend gewinnbringend nach Europa verkauft (Grigull 2018). So kommt es, dass auch in Flensburg Mahagoniholz zu Möbeln verarbeitet wurde, welche dann oftmals als sogenannte „Kolonialmöbel“ wieder zurück in die Karibik verschifft wurden, um dort den Plantagenbesitzern als Mobiliar zu dienen (ebd.). Nicht nur durch das Anlegen von Plantagen wurden massive ökologische Zerstörung verursachte, sondern auch durch den Betrieb der Plantagen: der Anbau von Zuckerrohr in Monokulturen laugte die Böden aus, hatte starke Erosion an den Hanglagen zur Folge und führte letztlich zu einem so starken Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, dass einige Plantagen nach 50 bis 75 Jahren nicht mehr produktiv waren (Moore 2000: 416ff).

Das Ideal der Empfindsamkeit für die Natur als neue Tugend der Aufklärung im 18. Jahrhundert und die gleichzeitige Zerstörung und Zurichtung von Natur in den eroberten Kolonien, die Ermordung der indigenen Bevölkerung und die brutale Ausbeutung Schwarzer Menschen auf den Plantagen stehen in einem krassen Widerspruch, der nur durch ein rassistisches Welt- und Menschenbild legitimiert werden konnte. Dieses Denken wirkt bis heute fort, wenn nur einseitig an den Wohlstand und die Glanzleistungen der Kaufmannsfamilien erinnert wird, die an dieser Plantagenökonomie der Kolonialzeit beteiligt waren.

In der Kolonialismusforschung gibt es noch große Forschungslücken zum Entstehungskontext europäischer Landschaftsgärten in Bezug auf die Beteiligung ihrer Erbauer an der kolonialen Plantagenökonomie. Was diese Kenntnis bedeuten kann für die gegenwärtige Gestaltung dieser Parkanlagen, die in vielen Fällen in die kommunale Hand übergegangen und zu öffentlich zugänglichen, multifunktionalen Naherholungsräumen geworden sind, ist eine offene Fragestellung für die gesamte Stadtgesellschaft. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit den Folgen der Wohlstandsaneignung der Flensburger Kaufleute in der Karibik unter Aneignungs- und Ausbeutungsbedingungen für das heutige Leben auf St. Croix, St. Jan und St. Thomas sowie in Flensburg.

Flensburgs Erinnerungskultur

Die Praxis des Verdrängens von rassistischen Verhältnisse in Flensburgs aktueller Erinnerungskultur ist ein Ausdruck der Kolonialität des Alltags. Koloniale Gewaltverhältnisse können nicht als inzwischen überwunden und als „außerhalb dessen“ verstanden werden, was europäische Gesellschaften ausmache. Sie wirken nach – an den kolonialisierten Orten genauso wie in den kolonisierenden Ländern Europas und in den Erfahrungen Schwarzer Menschen. Von einem „dunklen Kapitel der europäischen Geschichte“ zu sprechen oder zu betonen, dass die kolonisierten Inseln sehr klein waren im Vergleich zum englischen Kolonialreich, ist eine Form der Abspaltung und Relativierung von Verantwortung und verhindert eine Auseinandersetzung mit Rassismus. Die Verantwortungsabwehr von Profiteuren kolonialer und postkolonialer Strukturen bezeichnet Gloria Wekker als Strategie der „weißen Unschuld“ (white innocence), die sich in der Haltung zeigt, strukturelle rassistische Diskriminierung und koloniale Gewalt zu leugnen und gleichzeitig die Ausgrenzung von sogenannten „Fremden“ zu legitimieren (Wekker 2016).

In vielen europäischen Hafenstädte werden im Rahmen von Stadtentwicklungsprojekten ehemaligen Hafenquartieren und Tourismusattraktionen wie Hafenrelikte, Speicher, Kontorhäuser und Landschaftsparks saniert, rekonstruiert, zur Schau gestellt und nach kolonialen Akteuren benannt. Damit wird an die Kolonialzeit positiv erinnert und deren rassistischer Kontext ausgeblendet. Diese Form des selektiven Erinnerns wird auch als koloniale Amnesie bezeichnet: Verbindungen zu kolonialen Gewaltstrukturen werden von historischen Personen, Ereignissen und Orten lokaler Identität abgetrennt (Bauriedl/Carstensen-Egwuom 2023). Das reflexive und verbindende Erinnern ist jedoch wichtig für eine diverse, inklusive und transnational vernetzte Stadtgesellschaft und um die Erinnerungskultur auf den karibischen Inseln zu verstehen. Die Erzählung der „Rumstadt Flensburg“ ist nur vollständig mit einem verbindenden und aktiven Erinnern an historische Ungerechtigkeit – immer in Verbindung mit heutigen Ungerechtigkeiten. Schwarze Menschen werden permanent erinnert an rassistische und koloniale Gewalt. Diese Erfahrung verstärkt sich, wenn das koloniale Erbe in Flensburg als Heldengeschichte erinnert wird.

Die positive Ehrung der Kaufmannsfamilie Christiansen durch die Namensgebung eines zentralen Stadtraums und die Bewahrung der Elemente des englischen Landschaftsgartens, der so viele kolonialgeschichtliche Spuren aufweist, ist ein Beispiel von vielen für ein selektives Erinnern. Das Erinnern an koloniale Verflechtungen löst Unbehagen aus – sowohl bei den Menschen, die sich eher mit den Profiteuren der Plantagenökonomie identifizieren, wie auch den Nachfahren der ehemals versklavten Menschen. In einigen europäischen Städten werden Wege erprobt, dieses Unbehagen produktiv zu machen für eine inklusivere Stadtgesellschaft. Dazu können kuratierte Ausstellungen wie 2017/18 im Schifffahrtsmuseum beitragen („Rum, Schweiß und Tränen – Flensburgs koloniales Erbe“), postkoloniale Stadtrundgänge oder Informationstafeln in der Stadt, die über den einseitigen Fokus auf die Erfolgsgeschichte der See- und Kaufleute hinaus gehen. Aus unserer Sicht kann die Sichtbarmachung des Erinnerns an koloniale Verhältnisse im öffentlichen Raum zur Auseinandersetzung mit der Verantwortung für eine anti-rassistische, solidarische Gerechtigkeit in Flensburg und den Karibikinseln beitragen.

Kolonialität

Kolonialität beschreibt das Fortbestehen europäischer kultureller und wirtschaftlicher Dominanz und den Machterhalt weißer Führungsschichten trotz formaler Dekolonisation (Quijano 2016).

Sybille Bauriedl, Lara Wörner, Inken Carstensen-Egwuom, Nelo Schmalen (Europa-Universität Flensburg, Institut für Umwelt-, Sozial- und Humanwissenschaften, AG Sozialgeographie)

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